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                                 | Konvergenz
      Eine umfassende Studie dazu hat Simon Conway Morris von der 
      University of Cambridge (UK) vorgelegt. Hauptpunkt seiner Kritik ist der 
      Umstand, dass die Anzahl der möglichen Richtungen zu einem gegebenen 
      Zeitpunkt der Evolution deshalb nicht beliebig (in theoretischer 
      Idealisierung unendlich) ist, sondern dass infolge der Limitierung der 
      Ressourcen nur solche Richtungen möglich sind, die von den Ressourcen 
      vorgegeben sind. Im Jahre 2003 hat Morris seine Auffassungen in einem Buch 
      mit dem Titel „Life's Solution  Inevitable Humans in a Lonely 
      Universe“ ausführlich dargelegt. Dort führt er aus: 
      
      “Not all is possible, options 
      are limited, and different starting points converge repeatedly on the same 
      destinations. Any such evolutionary journey, including navigation through 
      protein ‘hyperspace‘ must presuppose intermediary stages. And here there 
      may he further constraints because seemingly ‘sensible‘ paths may turn out 
      to he nonfunctional. The ‘landscape‘ of biological form, be it at the 
      level of proteins, organisms, or social systems, may in principle be 
      almost infinitely rich, but in reality the number of ‘roads‘ through it 
      may be much, much more restricted.” ( S.11) Wenig später stellt er fest,  
        “… that 
        evolution is indeed constrained, if not bound. Despite the immensity of 
        biological hyperspace I shall argue that nearly all of it must remain 
        for ever empty, not because our chance drunken walk failed to wander 
        into one domain rather than another but because the door could never 
        open, the road was never there, the possibilities were from the 
        beginning for ever unavailable. This implies that we may not only be on 
        the verge of glimpsing a deeper structure to life, but that it matters 
        little what our starting point may have been: the different routes will 
        not prevent a convergence to similar ends.” ( S. 12f.) Morris ist Paläontologe. Das bestimmt auch seine empirische 
      Datenbasis. Von besonderer Überzeugungskraft ist für ihn die Konvergenz 
      evolutionärer Entwicklungen. In seinem Beitrag „Die Konvergenz des Lebens“ 
      führt er dazu aus: 
        “Die gegenwärtige 
        Vielfalt (Diversität) der Biosphäre ist ungeheuer groß. Wie vielfach 
        bemerkt worden ist, stellen die Menschen - unter dem Blickwinkel der 
        Evolution betrachtet - nur einen winzigen Zweig auf einem riesigen 
        Baumbestand der Diversifikation dar. Wenn wir unsere Position von diesem 
        Standpunkt aus betrachten, ist sie nicht privilegierter als die von 
        Pilzen oder Tulpen. Dem stehen auf der anderen Seite allerdings unsere 
        besonderen Fähigkeiten gegenüber, die sicher einzigartig sind - 
        zumindest was diese Biosphäre angeht. Dazu zählt zum Beispiel auch das 
        Verständnis für die Evolution selbst. Nun beharrt die wissenschaftliche 
        Orthodoxie darauf, daß wir unter der Perspektive der Evolution so 
        zufällig sind wie Pilze oder Tulpen. Die Wege des Lebens, so heißt es, 
        sind derart durch alle möglichen Zufälligkeiten miteinander verwoben, 
        daß das Auftreten des Menschen nicht mehr Wahrscheinlichkeit besitzt als 
        irgendeine der Myriaden von anderen Lebensformen. Solch eine Ansicht 
        verwechselt aber die Besonderheiten historischer Abläufe mit dem 
        Erscheinen von besonderen biologischen Eigenschaften, zu denen im 
        Zusammenhang mit dem Menschen die Sprachfähigkeit, Intelligenz, 
        Landwirtschaft, Warmblütigkeit, Chancengleichheit, fortgeschrittene 
        soziale Systeme, Werkzeugherstellung und vieles mehr gehören. Wenn es 
        stimmt, daß all diese Eigenschaften konvergent sind, daß sie wenigstens 
        einige Male unabhängig voneinander entstanden sind, dann scheint es eher 
        wahrscheinlich, daß die biologische Qualität des Menschseins (humanness) 
        als eine Unvermeidlichkeit anzusehen ist.” (S. 127) Zusammenfassend stellt er dann 
      fest:  
        “Nichtsdestoweniger 
        würde ich gerne dafür plädieren, daß das Thema der evolutionären 
        Konvergenz einige frische Luft in ein ansonsten vielleicht müdes Gebiet 
        blasen kann. In diesem Beitrag habe ich nur einige ganz wenige Beispiele 
        - und die auch nur in Umrissen - angeführt, die für Menschen relevant 
        sind. Man könnte sehr viel mehr Beispiele anführen, doch während dies 
        möglicherweise einen Enthusiasten interessiert, bietet das Gesamtbild 
        mehr Relevanz. In aller Kürze ermutigen die Tatsachen der evolutionären 
        Konvergenz zu der Neuformulierung von einigen traditionellen Ideen in 
        Hinblick auf die Evolution. Am offensichtlichsten ist, daß die 
        Realitäten der Konvergenz auf das Primat sowohl der Anpassung als auch 
        des Vorhandenseins von Tendenzen hinweist. Was die erste Größe angeht, 
        so ist es natürlich immer möglich, daß eine bestimmte Übereinstimmung 
        zufällig zustande gekommen ist und daß die Ähnlichkeit oberflächlich ist 
        und keine funktionellen Schlüsse erlaubt. Daß hiermit kaum etwas anderes 
        als eine allgemeine Erklärung geliefert werden kann, wird ersichtlich 
        aus der wiederholt gemachten Beobachtung, daß ganze Gruppen von 
        Eigenschaften sich zeitlich konkordant ändern, und zwar in einem 
        Vorgang, der als konzertierte Konvergenz bezeichnet wird. Auf ähnliche 
        Weise gilt, daß dann, wenn Konvergenz unterschiedliche Ausgangspunkte 
        einschließt, von denen aus die nachfolgenden Arten an vergleichbaren und 
        manchmal identischen Zielpunkten ankommen, es mühsam ist, darin keinen 
        Trend zu sehen. Die beiden genannten Beobachtungen sind - in der Sprache 
        der Neodarwinisten - zwar ohne Besonderheit. Doch dieselben Enthusiasten 
        für die überragende Rolle der Kontingenz in der evolutionären Geschichte 
        werden ebenso lautstark in ihrer Ablehnung von adaptiven 
        Rahmenbedingungen und evolutionären Trends. Ich denke, daß die 
        Feindseligkeit mehr mit ideologischen Annahmen als mit 
        wissenschaftlicher Evidenz zu tun hat. Und an dieser Stelle können wir 
        festhalten. daß für den Fall, daß meine Argumente zur Konvergenz 
        irgendein Verdienst haben, es keine Rolle spielt, ob es ein Homo sapiens 
        ist, der diese Schlußfolgerung zieht, oder eine andere empfindungsfähige 
        Art.” (S 146f) Die Variationsbreite möglicher Richtungen der 
      Evolution ist in dieser Sicht durch die Variationsbreite der Ressourcen vorgegeben. Die 
      limitierte Ressourcenvielfalt limitiert via Mutation und Auslese auch die 
      Vielfalt der Richtungen der Evolution, sie kanalisiert die Evolution. Umso 
      geringer die Ressourcenvielfalt ist, desto genauer wird die Evolution 
      gerichtet. Erreicht die Ressourcenvielfalt den Wert 1, kann die Evolution 
      nur noch in einer Richtung verlaufen – oder die Art stirbt aus. |     | 
    
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 | Weiterführende Links:
      Wikipedia 
      Konvergenz, 
      Wikipedia (en) S. C. Morris Weiterführende Literatur:
 Morris, Simon Conway (2003): Life's Solution / Inevitable Humans in a 
      Lonely Universe, Cambridge University Press, New York und Melbourne, 
      Morris, Simon Conway (2003): Die Konvergenz des Lebens. In  Fischer, 
      Ernst Peter; Wiegandt, Klaus, Hrsg. (2003): Evolution - Geschichte und 
      Zukunft des Lebens, Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main, S. 
      127 bis 146
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