Subjekte

Menschen können nur als Menschen sein, indem sie einander Subjekte sind.

Paradigmata • About • Glossar ↑ • Theoretische Anthropologie • Über mich • History • Impressum •  BlogRSS 2.0

Nach oben Übersicht Die Planmäßigkeit Fließgleichgewicht Instinkte Reafferenz Tätigkeitsbegriff Konsequenzen Gerichtete Evolution Mutabilität Konvergenz Frankfurter Theorie Pyche/Erkennen Subjektwissenschaft

Das Instinktparadigma

Lorenz  steht ganz in der Tradition des Darwinismus. Folgerichtig kann er das Uexküllsche Paradigma nicht annehmen, obwohl er sich ausdrücklich mehrfach auf Uexküll bezieht. Die geistige Verwandtschaft beider drückt sich vor allem im Lorenzschen Begriff des Instinkts aus, der als ererbtes, angeborenes Verhalten einerseits autonom (und daher nicht durch die Umwelt veränderbar) ist, und der als genetisch determinierte Entität andererseits den darwinistischen Prinzipien der Evolution unterliegt. Damit stellt er auch die Kategorie der autonomen Aktion in das Paradigma der Evolutionstheorie und löst damit ein paradigmatisches Grundproblem Uexkülls. Er schreibt dazu:

"Wir haben es nie zu bereuen gehabt, daß wir die Veränderlichkeit der Instinkthandlung durch Erfahrung rundweg geleugnet haben und folgerichtig den Instinkt wie ein Organ behandelt haben, dessen individuelle Variationsbreite bei allgemeiner biologischer Beschreibung einer Art vernachlässigt werden kann. Diese Auffassung widerspricht nicht der Tatsache, daß manchen Instinkthandlungen eine hohe regulative „Plastizität“ zukommen kann. Eine solche haben auch viele Organe. Mit der Auffassung der Instinkthandlung als Kettenreflex soll weder zu einer bahntheoretischen Erklärung noch auch zum mechanistischen Dogma ein Bekenntnis abgelegt sein." (I-273)

Und weiter:

"Niemand kann leugnen, daß die phylogenetische Veränderlichkeit einer Instinkthandlung sich so verhält wie diejenige eines Organes und nicht wie diejenige einer psychischen Leistung. Ihre Veränderlichkeit gleicht so sehr derjenigen eines besonders „konservativen“ Organes, daß der Instinkthandlung als taxonomischem Merkmal sogar ein ganz besonderes Gewicht zukommt, besonders, wenn es sich um Auslöser handelt. Niemand kann beweisen, daß die individuelle Veränderlichkeit einer Instinkthandlung mit Faktoren zu tun hast, die bei der individuellen Veränderlichkeit von Organen nicht mitspielen. Wenn man nicht den Begriff des Lernens ganz ungeheuer weit fasst, so daß man etwa auch sagen kann, die Arbeitshypertrophie eines vielbenützten Muskels sei ein Lernvorgang, so hat man durchaus kein Recht, die Beeinflussung des Instinktes durch Erfahrung zu behaupten." (I-274)

Mit diesem Konstrukt wurde die Unverträglichkeit des Subjektbegriffs von Uexküll mit dem darwinistischen Paradigma beseitigt. Das tierische und später auch das menschliche Verhalten kann so als Resultat der biotischen Evolution verstanden werden. Mit der genetischen Determination des Instinkts wird es auch mit den physikalischen Paradigmata in Übereinstimmung gebracht.

Die zum Instinktbegriff zitierten Ausführungen von Lorenz machen deutlich, dass er sich der paradigmatischen Bedeutung seiner Auffassungen nicht bewusst war. Die Einordnung des Instinkts in die Kategorie des bedingten Reflexes nimmt dem Instinkt das Autonome und macht das Tier letztlich wieder zum reagierenden Automaten. Er entwickelt keine eigene Terminologie, sondern benutzt die herrschende behavioristisch geprägte Terminologie.
Das zeigt sich auch in der Art und Weise, in der Lorenz Uexküll rezipiert. Er zitiert nur einzelne empirische Befunde, die er zudem oft in der damals üblichen Terminologie des Behaviorismus ausdrückt. Die Terminologie Uekülls, die dieser zur Darstellung seines neuen "Gerüsts" der Biologie entwickelt hatte, wird in keiner Weise berücksichtigt. Es wird auch nicht versucht, die eigenen neuen Befunde in das Uexküllsche System einzuordnen.
Wie die Behavioristen benutzen Lorenz und  seine Mitstreiter die Termini „Reiz“ und „Reaktion“ als tragende Termini zur Beschreibung der von ihnen gewonnenen experimentellen Befunde. Sie vermehren damit kumulativ die empirische Basis der behavioristischen Verhaltensbiologie. Das paradigmatisch Neue der sich entwickelnden "Ethologie" geht so verloren. Sie bleibt eine Disziplin innerhalb der behavioristisch dominierte Verhaltensbiologie.

„Die vorgefaßte Meinung, daß der Reflex und der bedingte Reflex die einzigen wesentlichen „Elemente“ alles tierischen und menschlichen Verhaltens seien, bestimmte eben eine ganz spezielle, kaum je variierte Art der Versuchsanordnung, bei der das untersuchte Zentralnervensystem gewissermaßen gar keine Gelegenheit bekam, zu zeigen, daß es auch etwas anderes zu leisten imstande sei, als einwirkende Außenreize zu beantworten. Bei der ausschließlichen Anwendung dieser Methodik musste die Meinung bestärkt werden, daß sich die Leistung des Zentralnervensystems im Aufnehmen und Beantworten äußerer Reize erschöpfe.
„Da niemand unter den Mechanisten je nachsah, was die Tiere, sich selbst überlassen, tun, konnte auch unmöglich einer von ihnen bemerken, daß sie spontan, d. h. ohne Einwirkung äußerer Reize, nicht nur etwas, sondern sogar sehr vielerlei tun.“ (I,S 129)

 

 

 

 

 

 

Abbildung 1: Reflex und Instinkt (On Mouseover)
Der Reflex wird vom Objekt ausgelöst, der Instinkt ist eine autonome Aktion, die sich ihren Gegenstand sucht.

 

 

 

 

Angemerkt:
Der Terminus "Subjekt" wird von Lorenz in einem engeren Sinn als von Uexküll verwendet. Er steht bei ihm vor allem im erkenntnis-theoretischen Kontext und schließt das "subjektive Erleben" ein.

Weiterführende Links:
Lorenz, Tinbergen, Eibl-EibesfeldtHeinroth,
Weiterführende Literatur:
Lorenz, Konrad (1992): Über tierisches und menschliches Verhalten - Gesammelte Abhandlungen I und II, Piper & Co.Verlag, München, Zürich,

Zurück | Weiter

© Dr. G. Litsche 2006
Letzte Bearbeitung: 23.03.2010