Subjekte

Menschen können nur als Menschen sein, indem sie einander Subjekte sind.

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Lebende Systeme

Das bisher konstruierte aktive kinetische autonome hydrodynamische System ist also (nachdem es gestartet wurde) zu einer zielstrebigen Bewegung aus eigenem Antrieb, die zur aktiven Selbsterhaltung führt, fähig. Es zeigt also Merkmale, die gewöhnlich nur lebenden Systemen zugeschrieben werden. Warum also sollte ein solches System nicht als "lebendes System, als „hydraulisches Lebewesen“ bezeichnet werden?.
Betrachten wir dazu ein ganz einfaches lebendes System, beispielsweise eine Bakterienzelle (Abbildung 1). Wir finden alle funktionellen Komponenten, die auch zur Minimalausstattung des autonomen Systems gehören ():

● Die sinngebende Komponente  (1)
Ausstülpungen der Zellmembran (Mesosomen), in welchen der Abbau energiereicher Substanzen (z.B. Glucose zu Kohlendioxid und Wasser) erfolgt. Dieser Prozess, die Dissimilation, ist exotherm, die frei werdende Energie wird in den ADP - ATP Kreisprozess übertragen. Das energiereiche ATP diffundiert durch die Zelle und steht überall als Energieträger zur Verfügung. Die Frage, ob diese Komponente auch bei natürlichen lebenden Systemen "sinngebend" genannt werden soll, ist eher erkenntnistheoretischer Natur und muss daher an anderer Stelle erörtert werden.

● Die Membran (2)
Die Membran ist eine Phase (2b) mit zwei Phasengrenzen, nach außen (2a) und nach innen (2c). Sie isoliert das Zellinnere gegen die Umgebung und ist durch Kanäle perforiert, durch die das Reservoir mit der Umgebung verbunden ist.

● Kanal mit Pumpe (3)
Die Kanäle der Membran gewährleisten den Zufluss energiereicher Edukte und den Abfluss energiearmer Produkte, die das chemische Gleichgewicht der Mesosomen. Wenn die Potentialdifferenz zwischen Zelle und Umgebung Diffusion oder Osmose nicht zulassen, sorgen Pumpen (Transporteiweiße, Carrier)  für den Transport gegen das Potentialgefälle. Dabei nutzen sie die Energie von ATP.

● Das Reservoir (4, 5)
Das Zellplasma stellt das Reservoir dar, in dem die energiereichen Edukte und die energiearme Produkte gelöst oder kristallin vorliegen.

● Den energetischen Kreisprozess (6)
Der energetische Kreisprozess wird durch die Umwandlung von ADP in ATP und dessen Abbau zu ADP realisiert (Abbildung 2).

● Die Wand
Wie beim technischen System ist die Zellwand eine kontingente Komponente.

Auch bei den einfachsten rezenten Zellen finden wir darüber hinaus eine Reihe weiterer funktioneller Komponenten, die weiteren Stufen der technischen Konstruktionen entsprechen:

● Kinetische Komponenten
Der Flagellenmotor mit Geißel ist die eine verbreite funktionelle Komponente, die der Fortbewegung von Bakterien dient.

● Steuerkomponenten
Der Flagellenmotor wird durch Moleküle gesteuert, die nach dem Prinzip der stabilen Systeme () und der sensorischen Systeme ()arbeiten. Sie werden in einschlägigen Lehrbüchern beschrieben.

Daneben finden wir bei allen Zellen weitere funktionelle Komponenten, die nicht unmittelbar der Erhaltung der Zelle dienen. Es sind dies die DNA und die Ribosomen. Die Funktion dieser Komponenten ist die Autopoiesie (Selbstorganisation) und das natürliche Driften durch Fortpflanzung.
Diese Funktionen wurden bei der Konstruktion der technischen Systeme vom Designer wahrgenommen. Lebende Systeme besitzen dagegen funktionelle Komponente, die sie zum Autodesign () befähigen. Die Annahme eines außernatürlichen, metaphysischen "intelligenten Designers" ist zur Erklärung der Erhaltung und Entwicklung lebender Systeme nicht erforderlich.
Bleibt noch die Frage nach dem Starter, der auch die autonomen technischen Systeme in Gang setzen muss. Bei allen heute lebenden Systemen sind die Eltern die Starter. Heute entsteht Leben nur aus Leben. Gegenwärtig entsteht Leben nicht mehr von selbst. Damit stellt sich die Frage nach dem Ursprung des Lebens. Können Lebewesen von allein, durch "Urzeugung" entstanden sein?
Die aktuelle Theorie der Biogenese konzentriert sich vorwiegend auf die Frage, wie die Strukturen entstanden sind, welche die Träger der Funktionen des Lebendigen sind. Die Frage nach dem Start des Lebens wird weniger intensiv diskutiert.
"Leben" wird üblicherweise ad hoc durch die Angabe eines Sets von Merkmalen definiert, die alle zusammen gegeben sein müssen, wenn ein System als "lebend" bezeichnet werden soll. Wenn dieses Set durch Urzeugung entstanden sein soll, dann erhebt sich die Frage nach dem Zeitpunkt, an dem es zu leben beginn, an dem es startet.
Im Kapitel "Biogenese" der "Theoretischen Anthropologie" und in diesem Projekt () habe ich eine Lösung dieser Frage versucht.

Natürliche autonome Systeme müssen sich durch die Fähigkeit zum Autostart und zum Autodesign auszeichnen. Nur sie sollten als "lebend" bezeichnet werden. Die Besonderheit dieser natürlichen autonomen Systeme, der Lebewesen, rechtfertigt die Einführung einer besonderen Terminologie. Ich schlage vor, nur sie als "Subjekte" zu bezeichnen.
Die Fähigkeit zur Selbsterhaltung macht Lebewesen prinzipiell unsterblich. Der Autostart ist also nur einmal erforderlich ("Urzeugung") und ist physiko-chemisch erklärbar. (Die spätere Herausbildung der Sterblichkeit kann nur im Zusammenhang mit der Entwicklung der Fähigkeit zur Fortpflanzung verstanden werden.) Die Fähigkeit zum Autodesign muss als notwendige Eigenschaft des Lebens angenommen werden. Ich nenne diese Eigenschaft "Kreativität".
Die Kreativität muss also nicht einem übernatürlichen Schöpfer oder einer metaphysischen Lebenskraft zugeschrieben werden, sondern ist eine natürliche Eigenschaft lebender Systeme. Sie ergibt sich aus den Naturgesetzen dissipativer Systeme fern vom Gleichgewicht (´S. "Theoretische Anthropologie", S. 44ff. und "Teilprojekt Paradigmata")

 

 


Abbildung 1: Minimalausstattung einer hypothetischen Urzelle
On Mouseover: Standardausstattung einer rezenten Bakterienzelle (rot DNA, blau Ribosomen))

 

Abbildung 2: Übertragung von Energie durch ATP - ADP

Angemerkt:
In den komplexeren Zellen der Zellen mit Zellkern (Eukaryoten) wird die Funktion der sinngebenden Komponente von den Mitochondrien erfüllt.

Philosophisch gesehen:
Der philosophische Gehalt dieser Probleme soll an folgendem Beispiel dargelegt werden:
Eines Tages kommt ein Wanderer des Wegs und stößt an einen Fluss, den er überqueren will. Wie er so am Ufer entlang geht und einen geeigneten Übergang zu suchen, findet er einen Baum, der von einem Ufer zum anderen über dem Fluss liegt und sich als Brücke zum Überqueren des Flusses eignet. Was denkt der Wanderer da?
Variante 1:
„Oh fein, wie sinnreich hat der große Landschaftsgestalter die Welt eingerichtet!“
Variante 2:„Na nu, welch ein Zufall, dass der Baum, den der letzte große Regen mitgerissen hat, sich gerade hier verkeilt hat!“
Wenn der große Landschaftsgestalter keine Signatur hinterlassen hat, gibt es keine Möglichkeit zu prüfen, wie der Baum dahin gelangt ist. Es bleibt der subjektiven Entscheidung des Wanderers überlassen, für welche Variante er sich entscheidet.

Chemosensorisches System
Cypionka, Heribert (2002): Grundlagen der Mikrobiologie, Springer - Verlag, Berlin, Heidelberg, New York.
 

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© Dr. G. Litsche 2006
Letzte Bearbeitung: 14.07.2012