Subjekte

Menschen können nur als Menschen sein, indem sie einander Subjekte sind.

Systeme • About • Glossar ↑ • Theoretische Anthropologie • Über mich • History • Impressum •  BlogRSS 2.0
Nach oben
Übersicht
Systembegriff
Minimalausstattung
Komplexe Systeme
Autonome Systeme
Stabile Systeme
Sensorische Systeme
Kinetische Systeme
Aktive Systeme
Lebende Systeme

Systeme.pdf
 

Die Minimalausstattung eines
offenen Systems

Fließgleichgewichte sind dadurch gekennzeichnet, dass ein zwischen einzelnen Phasen eines thermodynamischen Systems bestehendes Ungleichgewicht in der Zeit, dauerhaft erhalten bleibt. Da der spontan eintretende Prozess, in dem sich das thermodynamische Gleichgewicht einstellt, nicht aufgehalten werden kann, muss er durch eine geeignete Ausstattung des Systems erhalten werden. Die dazu mindestens erforderlichen funktionellen Komponenten und deren Anordnung bilden die funktionelle Minimalausstattung des offenen thermodynamischen Systems.
Betrachten wir zunächst, wie sich das Gleichgewicht im isolierten Mehrphasenköper einstellt. Dazu verwenden wir das hydrodynamische Modell der kommunizieren Gefäße (Abbildung 1).


Abbildung 1: Kommunizierende Gefäße

Die Behälter A und B stehen für unterschiedliche thermodynamischen Phasen. Sie sind durch einen Kanal K verbunden, der die innere Phasengrenze modelliert. Er ist der zunächst durch einen Stöpsel S verschlossen. Die unterschiedliche Füllhöhe stellt das unterschiedliche Potential dar. Wird der Stöpsel entfern, entsteht im Kanal ein Flüssigkeitsstrom in Richtung des Potentialgefälles (Mitte).
Die jeweils aktuelle Fließgeschwindigkeit im Kanal hängt bei gegebener Membran von der jeweils aktuellen Potentialdifferenz ab. Da sich diese kontinuierlich verringert, verringert sich auch die Fließgeschwindigkeit (Abbildung 2).
Die Potentiale gleichen sich aus, der Fluss kommt nach einer gewissen Zeit zum Stillstand und die Füllhöhe beider Behälter ist  gleich.
Bei gegebener Potentialdifferenz hängt die jeweils aktuelle Fließgeschwindigkeit und damit die Zeit, in welcher der Strom fließt,  von der Beschaffenheit der durchlässigen Phasengrenze, der Membran, ab.
Die Phasengrenze ist Teil einer thermodynamischen Phase. An ihr bestehen diskontinuierliche  Potentialdifferenzen zwischen den aneinander grenzenden Phasen. Die spezifische Zustandsgröße der Phasengrenze ist die Fläche. Die Anordnung der Systemgrenze im Raum bestimmt die Gestalt des Systems. Das System ist  Kugel, Zylinder oder ein in beliebiger Weise aus Grundformen zusammengesetzter Körper. Diese Eigenschaft des Systems nenne sein Design.
Das Systemdesign bestimmt Anzahl und Verteilung der Poren einer Membran und damit bei gegebener Potentialdifferenz die Fließgeschwindigkeit des Potentialstroms.
Zufluss und Abfluss sind äußere Membranen des Systems. Sie verbinden die Phasen des Systems mit der "Umgebung".
Umgebung kann die Außenwelt eines Systems nur sein, wenn sie eine Potentialdifferenz aufweist, die Zufluss und Abfluss ermöglichen. Bei einem (pumpenlosen) hydro-dynamischen System muss der Zufluss "oben" und der Abfluss "unten" liegen. In dieser Bestimmung ist der Übergang vom umgangssprachlichen Terminus "Umgebung" zum systemtheoretischen Begriff dargestellt.
Zufluss und Abfluss wirken unabhängig voneinander auf die Potentiale des Systems und damit auf Fließgeschwindigkeit des Systems. Die Fließgeschwindigkeit ist nun nicht mehr von den Parametern der Inneren Membran abhängig, sondern von den Zu- und Abflussparametern. Sie sind diesen proportional (Abbildung 4), wobei der Proportionalitätsfaktor von den Parametern der äußeren Membran bestimmt wird. Bei gegebenen Parametern werden Zufluss- und Abflussgeschwindigkeit von den Potentialen der Umgebung bestimmt (Abbildung 4).
Mit dieser Ausstattung kann das System auf Veränderungen der Umwelt innerhalb der systembedingten Grenzen "reagieren". Seine Fließgeschwindigkeit und seine Abflussgeschwindigkeit werden in vorhersagbarer Weise durch das Potential der Umgebung bestimmt.
Im Unterschied zum geschlossenen Mehrphasenkörper ist die Existenzzeit des Ungleichgewichts im offenen System nicht systembedingt begrenzt. Das Ungleichgewicht eines Mehrphasenkörpers geht ohne äußere Einwirkung in das Gleichgewicht über. Im offenen System bleibt das Ungleichgewicht dagegen solange erhalten, wie Zufluss und Abfluss das zulassen. Die Limitierung der Existenzzeit des offenen Systems ist nicht durch das System, sondern durch die Umgebung bedingt.

Die Minimalausstattung des Systems umfasst also folgende Komponenten (Abbildung 5):

●  zwei Phasen P1 und P2 mit unterschiedlichen Potentialen,
●  die diese verbindende innere Phasengrenze iP,
●  äußere Phasengrenze äP,
●  Zufluss und Abfluss,
●  eine Umgebung.

Diese Komponenten müssen nun in einer bestimmten Weise gestaltet sein, wenn eine dauerhafte Existenz des Systems gewährleistet werden soll. Die das Design bestimmende Komponente ist das Ungleichgewicht, das erhalten werden soll (Abbildung 5 rot gekennzeichnet). Das Design aller anderen Komponenten muss an dieser Komponente orientiert sein. So muss das Design der äußeren Membranen eine Durchflussgeschwindigkeit gewährleisten, die der Fließgeschwindigkeit im System entspricht. Ein solches Design nenne ich "harmonisch".
In der technischen Realisierung wird das Design durch die Wand gewährleistet, die keine Komponente der Minimalausstattung sondern eine kontingente Komponente ist
In einem harmonisch gestalteten System bleibt die Fließgeschwindigkeit im System solange konstant, wie Zufluss und Abfluss konstant bleiben. Dieser Zustand der konstanten Fließgeschwindigkeit ist das Fließgleichgewicht (steady state). Die Potentialdifferenz der Phasen des Systems ändern sich nicht (Abbildung 6).
Ein System entsteht also, wenn der Prozess der Annäherung an den Gleichgewichts-zustand, der „Strom“ nicht in einer endlichen Zeit zum Stillstand kommt. Im System verändert sich  die Fließgeschwindigkeit nicht und erreicht so nie den Wert 0. Das System befindet sich dauerhaft im Zustand des thermodynamischen Ungleichgewichts, dem Fließgleichgewicht.
Die Erhaltung der dauerhaften Existenz des Ungleichgewichts ist der Zweck, den das System erfüllen soll. Ich nenne diese Komponente die sinngebende Komponente des Systems.
Die Beziehungen (Prozesse) zwischen den Komponenten eines dynamischen Systems werden nur von den Potentialen ihrer nicht stoffeigenen (systemeigenen) Zustandsgrößen und ihren Design bestimmt. Beide sind gleichgültig gegen die stoffeigenen Zustandsgrößen. In die Systembeschreibung gehen die Komponenten des Systems nur als stoffunabhängige Träger von Potentialen mit einem harmonischen Design ein. Komponenten mit einem harmonischen Design nenne "funktionelle Komponenten".
Diese systemtheoretischen Bestimmungen sind unabhängig von der jeweiligen Zustandsgröße. Abbildung 7 zeigt einen Zweiphasenkörper im thermischen Ungleichgewicht. Er ist auf einer Seite wärmer als auf der anderen. Im Übrigen hat er das gleiche Design wie die kommunizierenden Gefäße. Wenn der Stöpsel gezogen wird, kommt es im Kanal zu einem Wärmestrom, durch den die Temperaturdifferenz ausgeglichen wird. Das thermische Ungleichgewicht kann erhalten werden, wenn das System mit der Umgebung verbunden und von einer Seite geheizt und der andern gekühlt wird.
Auf den folgenden Seiten wird gezeigt, wie durch Konstruktion weiterer funktioneller Komponenten Systeme entwickelt werden können, welche die Erhaltung des Fließgleichgewichts in immer zweckmäßigerer Weise gewährleisten. Das minimale offene thermodynamische System stellt so die Ausgangsabstraktion für die Konstruktion weiterer Systeme dar.

 

 

 

 

 

 

 


Abbildung 2: Potentialdifferenz P zweier Phasen eines isolierten Zweiphasen-körpers in der Zeit.

 


Abbildung 3: Offenes thermodyna-misches System mit Zufluss und Abfluss

 


Abbildung 4: Die Abhängigkeit der Zuflussgeschwindigkeit v vom Umgebungspotential u

 

 

 



Abbildung 5: Minimalausstattung eines offenen Systems (Pfeile: Potential-differenzen, rot: sinngebende Komponente)
Im hydrodynamischen Modell ist die innere Phasengrenze als Kanal K gestaltet)

 

 
Abbildung 6: Potenzialdifferenz P zweier Phasen eines offenen Systems im Fließgleichgewicht in der Zeit

 


Abbildung 7: Körper mit Temperaturphasen (dunkel: hohe Temperatur)

 

Weiterfürende Links:
Grundbegriffe der Thermodynamik, kurz und anschaulich.
Zum Begriff des Potentials, kurz und anschaulich.

Zurück | Weiter

© Dr. G. Litsche 2006
Letzte Bearbeitung: 14.07.2012