Allgemeine und spezielle Tätigkeitstheorie

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Tätigkeitstheorie
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Rolle Tätigkeitstheorie
  1. Die Ableitung verifizierbarer Aussagen aus einer Theorie erfordert die präzise Bestimmung des Objektbereichs, auf den die Theorie zutreffen soll. Das sind die Objekte, die der Theoretiker meint, wenn er ein Wort der Theorie sagt. Was ist also gemeint, wenn im Rahmen der Tätigkeitstheorie „Tätigkeit“, „Subjekt“ usw. gesagt wird.
  2. In der ursprünglichen Terminologie Leont´ev´s ist „Tätigkeit“ das Verhalten aller Lebewesen, vom Bakterium bis zum Menschen. Ohne das zu reflektieren meint die aktuell gebräuchliche Terminologie der kulturhistorischen Schule mit „Tätigkeit“ nur das Verhalten der mit Psyche und Bewusstsein ausgestatteten Menschen. Damit gehen wesentliche Potenzen des Leont´jev´schen Tätigkeitsbegriffs verloren.
  3. Mit Kategorien wie „präpsychische und psychische Tätigkeit“, und der Differenzierung der psychischen Tätigkeit in die Tätigkeit „der elementaren sensorischen Psyche“ usw. hat Leont´ev ein System zur Differenzierung des Tätigkeitsbegriffs vorgeschlagen. Die von der kulturhistorischen Schule gemeinte Form der Tätigkeit ist im Leont´ev´schen System nur eine spezielle Erscheinungsform der Tätigkeit im allgemeinen, nämlich der bewussten Tätigkeit der Menschen.[1] Wenn man sich dabei auch noch auf Leont´ev bezieht, ist diese Terminologie nicht nur unpräzise, sondern auch falsch.
  4. Dieser Umstand mag der Tatsache geschuldet sein, dass Leont´ev sich selbst in seinen späteren Arbeiten überwiegend mit der menschlichen Tätigkeit befasst hat und seinen frühen Ansatz nicht weiter verfolgt hat. Heute müssen wir uns dieser Tatsache stellen und unsere Position durch begriffliche und terminologische Klarheit zum Ausdruck bringen. Einen Vorschlag dazu habe ich vorgelegt.[2]
  5. In engem Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbegriff steht der Begriff der Handlung. In der kulturhistorischen Schule erscheint diese Kategorie nur im Zusammenhang mit menschlicher Tätigkeit und als deren Komponente. Das ist bereits bei Leont´ev angelegt, auch wenn dieser darüber hinaus die qualitative Eigenständigkeit von Tätigkeit und Handlung betont und den sozialen Bezug der Kategorie der Handlung aufzeigt.
  6. Die seit der Erarbeitung des Leont´ev´schen Handlungskonzepts erreichten Fortschritte der Verhaltenwissenschaften zeigen jedoch, dass soziale Aktionen („Handlungen“) bereits bei Bakterien beobachtet werden können.[3] Im nichtmenschlichen Verhalten sind Tätigkeit und Handlung nicht nur kategorial unterschieden, sondern verlaufen nahezu unabhängig voneinander. Während die Tätigkeit im allgemeinen auf die Befriedigung der Bedürfnisse des tätigen Individuums gerichtet ist, richt sich die Handlung im allgemeinen auf die Befriedigung der Bedürfnisse Anderer (der Artgenossen). Deshalb kann das handelnde Individuum den Erfolg seiner Handlung nicht bewerten. Handlungen können daher nicht konditioniert werden, sie werden geprägt und „geglaubt“. Nur Tätigkeiten können vom tätigen Individuum bewertet und konditioniert werden.Zur theoretischen Abbildung von Tätigkeit und Handlung sind also unterschiedliche Theorien (Tätigkeitstheorie, Handlungstheorie) erforderlich
  1. Die menschliche Handlung entsteht also nicht erst mit der Entstehung der menschlichen Tätigkeit und aus dieser, sondern durchläuft eine eigenständige Entwicklung, geht im Prozess der Menschwerdung in eine spezifische Beziehung mit der Tätigkeit ein und wandelt sich so in die spezifisch menschliche Handlung um. Tätigkeit und Handlung sind als wohl unterschiedene disjunkte Kategorien anzusehen, die erst im menschlichen Verhalten eine spezifische Beziehung eingehen und so die qualitative Eigenart der menschlichen Tätigkeit bestimmen.[4]
  2. Die menschliche Tätigkeit ist so ein spezifischer Objektbereich, der einer eigenständigen Theorie bedarf. Die Spezifik dieses Objektbereichs ist nicht allein der Umstand, dass die agierenden Individuen Menschen sind, sondern dass die menschlichen Aktionen durch ein spezifisches Zusammenwirken von Tätigkeit und Handlung gekennzeichnet ist. Dieses über das Bewusstsein vermittelte Zusammenwirken ist der spezifische Objektbereich einer „Theorie der menschlichen Tätigkeit“, die von der Theorie einer Tätigkeit zu unterscheiden ist, welche Tätigkeiten abbildet, die von den Handlungen der agierenden Individuen unabhängig sind.

 

[1]  Vgl. Leontjew , A.N.(1964): Probleme der Entwicklung des Psychischen. Volk und Wissen Volkseigener Verlag, Berlin
[2] Litsche; Georg A.: Theoretische Anthropologie Grundzüge der theoretischen Rekonstruktion der menschlichen Seinsweise Lehmanns Media - LOB.de, ISBN 3-86541-000-6. Siehe auch: http://www.subjekte.de!
[3] Vgl. Litsche, 2004, S. 251ff.!
[4] Vgl, Ebenda, S. 390ff., 473.ff !

 
     

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© Dr. G. Litsche 2004
Letzte Bearbeitung: 01.06.2011